Forscher der Johns Hopkins University (JHU), der Florida Atlantic University (FAU) und der University of Illinois Chicago (UIC) haben eine neue Hybrid-Prothese entwickelt, die den menschlichen Tastsinn durch spezielle Sensoren nachahmt. Das Team um die Biomediziner Nitish Thakor und Sriramana Sankar verfolgt das Ziel, Menschen mit Handverlust eine natürlichere und funktionalere Prothese zu bieten. Unterstützt wurde die Forschung durch das US-Verteidigungsministerium (DoD) sowie die National Science Foundation (NSF).
Sankar erklärt:
„Wir möchten eine Prothese schaffen, die nicht nur funktional ist, sondern sich auch natürlich anfühlt. Menschen mit einem Armverlust sollen sicher und intuitiv mit ihrer Umgebung interagieren können – ohne Angst, zu fest zuzugreifen oder zerbrechliche Objekte zu beschädigen.“
Veröffentlicht wurden die Forschungsergebnisse in „ScienceAdvances“ unter dem Titel „A natural biomimetic prosthetic hand with neuromorphic tactile sensing for precise and compliant grasping„.
Innovative Hybrid-Technologie für bessere Greiffähigkeit

Im Gegensatz zu herkömmlichen Prothesen, die entweder zu steif oder zu weich sind, kombiniert die Hybrid-Prothese flexible Soft-Robotik mit der Stabilität fester Strukturen. Dies ermöglicht einen sicheren Griff, der sowohl eine Wasserflasche als auch ein empfindliches Plastikgefäß festhalten kann.
Ein besonderer Fortschritt liegt in den dreischichtigen Tastsensoren an den Fingerspitzen, die nach dem Vorbild menschlicher Haut entwickelt wurden. Sie umfassen piezoresistive Sensoren für leichte Berührungen, eine piezoelektrische Schicht zur Erkennung feiner Vibrationen sowie zusätzliche Komponenten zur Messung der Fingerdeformation.
Das Hybrid-Fingersystem nutzt drei individuell gesteuerte weiche Gelenke, die aus flexiblem Silikon (Dragon Skin 10 von Smooth-On) bestehen. Diese werden durch ein 3D-gedrucktes Gerüst aus Polylactid (PLA) verstärkt. Praktische Tests zeigen, dass der Finger eine Krümmung von bis zu 130° und eine Beugung von 208° bei nur 7 psi Druck erreicht – eine Effizienz, die weit über vergleichbaren Soft-Roboter-Fingern liegt.
Thakor erläutert:
„Unsere Technik orientiert sich an der natürlichen Signalübertragung des Nervensystems. Die Sensoren senden Signale, die der Computer der Prothese interpretiert, um Temperatur, Oberflächenbeschaffenheit oder das Verrutschen eines Objekts zu erkennen.“
Verbesserte Objekterkennung und zukünftige Entwicklungen
Die Hybrid-Prothese zeigte in Tests eine dreimal höhere Greifkraft als herkömmliche Soft-Robotik-Prothesen. Zudem erreichte sie eine durchschnittliche Erkennungsgenauigkeit von 98,38 % bei der Unterscheidung von 26 verschiedenen Texturen. Auch bei Tests mit Elektromyographie (EMG) zur Steuerung der Handbewegungen konnte die Prothese Alltagsobjekte mit einer Genauigkeit von 99,69 % korrekt erfassen und differenzieren.
Die Wissenschaftler sehen weiteres Optimierungspotenzial, etwa durch die Integration zusätzlicher Gelenke zur Erhöhung der Griffkraft oder durch eine Ausweitung der sensorischen Wahrnehmung auf die gesamte Handfläche. Zudem könnten zukünftige Modelle durch direkte Nervenstimulation ein noch realistischeres Tastgefühl vermitteln.