Die Welt um uns herum ist dreidimensional. Um uns im Alltag zurechtzufinden, sind wir darauf angewiesen, Entfernungen richtig einzuschätzen und genau zu wissen, wo sich Gegenstände in unserer Umgebung befinden. Das gilt für das Autofahren und Einparken, aber auch für so banale Dinge wie dem Greifen eines Stiftes auf dem Tisch. Doch wie genau kommt es dazu, dass wir dreidimensional sehen können?
Wir können in 3D sehen, weil das Gehirn die Informationen verarbeitet, die die Augen liefern. Dazu werden die Mechanismen des monokularen, also des einäugigen, und des binokularen, des zweiäugigen Sehens verwendet.
- „Echtes“ räumliches Sehen ist nur mit zwei Augen möglich
- Das Gehirn verarbeitet Informationen aus Bildern beider Augen
- Die Position der Augäpfel vermittelt dem Gehirn Hinweise zur Tiefe des Raumes
- Beim einäugigen Sehen ergänzt das Gehirn fehlende Informationen durch Erfahrungswerte und weitere optische Effekte
Monokulares Sehen – kein „echtes“ räumliches Sehen

Beim monokularen Sehen verbindet das Gehirn Informationen aus der Perspektive, optischer Effekte und Erfahrungen, um einen Eindruck von Größe und Position von Objekten zu erhalten. Farben und ihre Bedeutung spielen hier ebenfalls mit rein. Das betrifft beim monokularen Sehen vor allem Licht und Schatten. Die Farben entstehen ebenfalls erst im Gehirn und vermitteln verschiedene Eindrücke. So können Farben der Grund sein, warum wir etwas als schön oder gefährlich einstufen, helfen aber auch zu Erkenntnissen bei der Räumlichkeit.
Die räumliche Wahrnehmung wird dabei durch den Lichteinfall verstärkt. Auf der Oberfläche von Objekten entstehen je nach Beleuchtung unterschiedliche Helligkeitsabstufungen. Erhöhungen und Vertiefungen lassen hingegen Schatten anders fallen. Das hilft auch bei der Einschätzung von Entfernungen, sowohl bei zweidimensionalen Betrachtungen, beispielsweise Fotografien, als auch bei 3D-Objekten in der Wirklichkeit. Durch Partikel in der Luft wird das Licht getrübt und entfernte Objekte erscheinen unschärfer sowie bläulich.
Die Perspektive verhilft dem Gehirn ebenso zur Abschätzung von Entfernungen. Parallele Linien laufen zu einem Fluchtpunkt in der Entfernung zusammen. Das ist beispielsweise bei der Betrachtung von (geraden) Straßen auffällig. Je entfernter der Punkt einer Straße ist, desto schmaler wirkt sie, während sie in der Nähe deutlich breiter wirkt.
Binokulares Sehen – die Anstrengung im Gehirn
Während beim monokularen Sehen nur eine scheinbare räumliche Wahrnehmung möglich ist, wird durch die Nutzung beider Augen dreidimensionales Sehen möglich. Die Augen liefern aufgrund der unterschiedlichen Position bzw. dem leicht unterschiedlichen Winkel zwei verschiedene Bilder an unser Gehirn. Dies ist leicht an einem Beispiel zu erkennen:
Halten Sie Ihren Daumen nah vor Ihr Gesicht und schließen Sie abwechselnd ein Auge. Der Daumen „springt“ quasi von einem Punkt zum anderen. Dieser Effekt wird auch als Parallaxe bezeichnet.
Bei weiter entfernten Objekten ist dieser Effekt nicht zu beobachten, da hier der Fixationspunkt der Augen in etwa gleich ist. Der Winkel zwischen den Blicklinien unserer Augen ist umso größer, je näher ein Objekt platziert ist. Durch die Akkommodation der Augen – der dynamischen Anpassung der Brechkraft der Augen – wird das Objekt scharf. Die Muskulatur im Auge führt daher zu einer Krümmung der Augenlinse, wodurch wir das Objekt erkennen können.
Unser Gehirn setzt diese Informationen der Augen daraufhin zu einer Wahrnehmung zusammen und ermöglicht das räumliche Sehen. Dabei beruht auch hier das dreidimensionale Bild, das wir sehen, zu Teilen auf Erfahrungswerten, die das Gehirn hinzufügt, um Entfernungen und die Größe von Objekten korrekt wahrzunehmen.
Durch die zwei unterschiedlichen Bilder, die dem Gehirn von beiden Augen geliefert werden, ist es uns daher möglich, die räumliche Tiefe wahrzunehmen. Ebenso gibt die Stärke der Akkommodation dem Gehirn Informationen darüber, wie nah Objekte sind.
Räumliches Sehen ist also nur mit zwei funktionierenden Augen möglich. Dennoch können auch Menschen mit nur einem (funktionsfähigem) Auge ohne räumliches Sehen einen normalen Alltag führen. Die zusätzlichen Informationen aus der Perspektive, dem Licht bzw. Schatten und den Erfahrungswerten setzt das Gehirn funktional zusammen. Feinmotorische Arbeiten und sportliche Höchstleistungen beispielsweise beim Basketball sind damit allerdings nicht möglich.