Forschende der Universitäten Stuttgart und Freiburg haben ein neues Fassadensystem entwickelt, das die Prinzipien des 4D-Drucks nutzt. Das sogenannte „Solar Gate“ ist das weltweit erste wetteradaptive Verschattungssystem, das auf elektrischen Energieverbrauch verzichtet. Es basiert auf Zellulose, einem biobasierten und erneuerbaren Material, das mit Standard-3D-Druckern in einer 4D-Struktur verarbeitet wurde.
Die Ergebnisse der Forschung wurden in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ unter dem Titel „Weather-responsive adaptive shading through biobased and bioinspired hygromorphic 4D-printing“ veröffentlicht.
Professor Achim Menges, Leiter des Instituts für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD) der Universität Stuttgart, sagt dazu:
„Unsere Arbeit zeigt, wie computergestützte Planungsmethoden und additive Fertigung genutzt werden können, um die Materialreaktionen selbst zum funktionalen Kern von Architekturelementen zu machen. Mit dem ‚Solar Gate‘ haben wir ein energieautarkes System entwickelt, das sich allein durch Wetterveränderungen öffnet und schließt.“
4D-Druck: Biomaterialien als Schlüssel zur Innovation
Das „Solar Gate“ wurde mit Hilfe des 4D-Drucks hergestellt, einer Weiterentwicklung des 3D-Drucks. Dabei kommen Materialien zum Einsatz, die auf äußere Einflüsse wie Feuchtigkeit oder Temperatur reagieren können. Zellulose, ein biobasiertes Material, wurde anisotrop verarbeitet, um das Verhalten von Kiefernzapfen nachzuahmen. Diese öffnen und schließen sich in der Natur selbstständig, indem sie Wasser aufnehmen oder abgeben.
Durch eine zweischichtige Struktur, die von Pflanzengeweben inspiriert ist, reagieren die gedruckten Elemente des Systems präzise auf Wetterbedingungen: Bei hoher Luftfeuchtigkeit dehnen sich die Zellulosematerialien aus und öffnen die Verschattung, während sie bei Trockenheit schrumpfen und die Elemente wieder schließen.
Professor Thomas Speck von der Universität Freiburg, der die Plant Biomechanics Group leitet, ergänzt dazu:
„Der 4D-Druck ermöglicht nicht nur die Integration komplexer Bewegungsmechanismen in gedruckte Strukturen, sondern eröffnet auch neue Möglichkeiten für nachhaltige Architektur.“
Nachhaltige Anwendungen für Architektur und mehr
Das „Solar Gate“ wurde in einem Forschungsgebäude der Universität Freiburg getestet. Die Funktionalität und Haltbarkeit des Systems konnten über ein Jahr hinweg unter realen Wetterbedingungen bestätigt werden. Das System reguliert eigenständig die Sonneneinstrahlung: Im Sommer minimiert es die Erwärmung durch Sonneneinstrahlung, während es im Winter Sonnenlicht durchlässt, um Innenräume auf natürliche Weise zu erwärmen.
Durch den Einsatz von 4D-Druck zeigt das Projekt, wie additive Fertigung nicht nur technische Innovationen, sondern auch ökologische Vorteile liefern kann. Das energieautarke Verschattungssystem ist ein Beispiel für die Integration von Naturprinzipien in die Architektur, wodurch der Energieverbrauch von Gebäuden erheblich reduziert werden kann.