Im Rahmen des sogenannten „Projekt 5-100“ haben Forscher der polytechnischen Universität St. Petersburg und des Institutes für Zytologie der Russischen Akademie der Wissenschaften einzigartige polymere Materialien für medizinische Zwecke erzeugt, die traumatisierte menschliche Organe reparieren sollen. Das Material befindet sich noch in der Entwicklungsphase, liefert aber bereits vielversprechende Ergebnisse.
Die Anwendung von 3D-Druck in der Medizin hat bereits viele Mediziner, Ingenieure und Materialforscher dazu inspiriert, neue medizinische Produkte und Hilfsmittel zu entwickeln. Während Implantate und Prothesen schon seit einigen Jahren mithilfe professioneller 3D-Drucker erfolgreich erstellt und genutzt werden, war die Produktion von Gewebe und Organen mittels 3D-Druck nur mit großen Einschränkungen, Aufwänden und teils überhaupt nicht möglich. Eine umfangreiches Archiv von über 100 Projekten zu dem Thema bietet unsere Themenseite „Bioprinting“.
Einzigartiges Gewebe für traumatisierte menschliche Organe
Das Transplantologie-Labor der St. Petersburger Polytechnischen Universität hat im Rahmen des sogenannten „Projekt 5-100“ einzigartige polymere Materialien für medizinische Zwecke erzeugt, die traumatisierte menschliche Organe reparieren sollen. Laut einem Pressebericht der Universität handelt es sich dabei um ein dreidimensionales poröses Material aus Chitosan und Kollagen, mit welchem die Forscher Teile von Knochen wiederherstellen können, die durch Trauma oder Krankheit verloren gegangen sind.

Beim Projekt 5-100 handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt der Polytechnischen Universität St. Petersburg, das in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zytologie der Russischen Akademie der Wissenschaften im Rahmen eines staatlichen Förderprogramms durchgeführt wird. Das Projekt 5-100 ermöglicht es 21 russischen Universitäten, ihre Bildung und Forschung effektiv zu stärken und zieht die besten Professoren aus der ganzen Welt an.
„Nachahmer“-Materialien
Biokompatible Komponenten werden durch natürliches Gewebe ersetzt
Auch für die Wissenschaftler selbst ist dies ein völlig neuer medizinischer Bereich, sodass die Terminologie noch nicht genau definiert wurde. Die erzeugten Materialien werden derzeit als „Nachahmer“-Materialien bezeichnet, da sie den Körper betrügen. Die Polymermatrix wird beispielsweise in beschädigtes Lebergewebe, Knochen oder Gefäße implantiert. Dabei sind die Materialien mit den Zellen dieser Organe gesättigt und bestehen aus biokompatiblen Komponenten (Chitosan und Kollagen), die den Körper austricksen, sodass es die Fremdkörper nicht abstößt. Mit der Zeit zersetzt sich die Matrix und das künstliche Gewebe wird durch natürliches Gewebe aufgenommen bzw. ersetzt.
Experten diskutieren derzeit darüber, ob es besser ist, ein Implantat zu verwenden oder ein Organ wiederherzustellen. „Eine Person mit einem künstlichen Organ muss Medikamente für den Rest ihrer Lebensdauer einnehmen, um zu verhindern, dass der Körper dieses Organ abstößt. Dies gilt nicht für Gewebe aus menschlichen Zellen. Wir betrügen nicht die Natur, wir helfen nur bei der Bewältigung eines medizinischen Problems“, erklärt Vladimir Yudin, Leiter des Labors.
Gewebezucht als dringende Priorität der modernen Medizin
Die Entwicklung künstlicher Organe für die Transplantation ist eine dringende Priorität der modernen Medizin. Die erfolgreiche Entwicklung dieses Bereichs hängt weitgehend von der Schaffung bioresorbierbarer und biokompatibler Polymermaterialien ab. Mit der Technologie und Entwicklung der Wissenschaftler der Polytechnischen Universität St. Petersburg, können jetzt nicht nur biokompatible Materialien hergestellt und die Wiederherstellung des natürlichen Gewebes stimuliert werden, sondern auch die Resorptionszeit der Materialien reguliert werden. Die implantierten Materialien dürfen nämlich nicht zerfallen, bevor das neue Gewebe gebildet wird.

Die Ergebnisse präklinischer Studien zeigten, dass ein im Knochen eingebetteter dreidimensionaler Schwamm nach einiger Zeit mit natürlichem Knochengewebe bedeckt wird, während sich das Material selbst zersetzt. Darüber hinaus wurde der entwickelte Kollagenschwamm in Muskelgewebe und Lebergeweben untersucht – und stimulierte in beiden Fällen die Wiederherstellung des natürlichen Gewebes der Organe. Die neuesten Forschungsergebnisse sind in der Zeitschrift Cell and Tissue Biology veröffentlicht. Die Forscher entwickelten auch wirksame Wundabdeckungen, Prothesen von Blutgefäßen und Nähfäden, die für den Einsatz in Zelltransplantation und anderen medizinischen Eingriffen empfohlen werden.
Wie die Forschungsergebnisse zeigen, wurden bei dieser Entdeckung interdisziplinäres, polytechnisches Wissen sowie fortschrittliche und übergreifende Fertigungstechnologien verwendet. Es ist wichtig zu erwähnen, dass sich dieser medizinische Anwendungsbereich noch in der Entwicklungsphase befindet. Es wird wohl noch einige Jahre dauern, bis sich vollkommen funktionsfähige Organe mit additiver Fertigungstechnologie erzeugen lassen. Äußerst wichtig ist auch Spenderhornhaut. Britische Wissenschaftler der Newcastle University haben dazu erstmals erfolgreich Hornhaut mit einem 3D-Drucker entwickelt. Bleiben Sie mit einem Abonnement unseres 3D-grenzenlos Magazin Newsletters auf dem Laufenden.